Wenn man mit Wolle arbeitet, so muss man in Wolle denken", so umschrieb Jean Lurçat sein Verhältnis zu dem Material, mit dem er sich seit 1915 intensiv beschäftigte.
Bevor er jedoch zu einer ihn zufriedenstellenden Technik gelangte, vergingen fast 25 Jahre. Die ersten beiden Teppiche „Fille verte" und „Soirée dans Grenade" wurden 1917 von seiner Mutter auf Kanevas (Stramin) ausgeführt. Als Grundlage dieser ersten Stickerei diente ein Aquarell von Lurçat. Neben dem hohen Zeitaufwand (Charlotte Lurçat benötigt mehrere Monate zur Fertigstellung) stellte Lurçat fest, dass die Umsetzung der feinabgestuften Farbskala der Vorlage in Wolle ein großes Problem darstellte.
In einem von Marie Cutolli initiierten Projekt wurde 1933 ein weiterer Versuch gestartet, die Tapisserie zu beleben. Werke, die Marie Cutolli bei den Meistern der Pariser Schule (neben Lurçat u.a. Braque, Matisse, Picasso, Mirö und Le Corbusier) bestellt hatte, wurden als Bildteppiche gewirkt. Aber auch hier war das Ergebnis der Umsetzung der Vorlage, entweder des gemalten Kartons oder eines Ölgemäldes, nicht befriedigend, da man lediglich eine vollständige Kopie der Malerei in Form eines gewirkten Teppichs erhielt.
Die intensive Beschäftigung mit der Geschichte und der Technik der Tapisserie, die Begegnung mit Francois Tabard, dem Leiter einer alteingessenen Teppichmanufaktur in Aubusson, und vor allem das Kennenlernen des mittelalterlichen Gobelins „Die Apokalypse" in Angers bewirkten unter anderem eine radikale Änderung der bisher verwendeten Technik und führte schließlich zur Erneuerung der Teppichkunst durch Jean Lurçat.
Lurçat erkannte, dass im 14./15. Jahrhundert lediglich ca. 20 Farbnuancen für einen Bildteppich verwendet wurden und man sich auf fünf Fäden pro Zentimeter beschränkte. Ende des 18. Jahrhunderts wurden jedoch etwa 36.000 Farbnuancen und bis zu 11 Fäden pro Zentimeter benutzt, um die Malerei möglichst genau zu kopieren. „Der Wandteppich, der mit Wolle und Seide gewebt wurde, geriet unter eine Schreckensherrschaft und wurde gezwungen sich der Ölmalerei anzugleichen ..." (Jean Lurçat). Dies verursachte zusätzlich einen großen Zeitaufwand und enorme Kosten und trug zum Niedergang der Tapisserie in den folgenden Jahrhunderten bei.
„Bei der Verschönerung einer Wand kommt es vor allem darauf an, niemals eine Staffeleimalerei mit einem im Dienste der Architektur stehenden Bildteppich zu verwechseln. Ihre Techniken haben nichts miteinander gemein, vor allem aber unterscheiden sie sich in ästhetischer Hinsicht". (Jean Lurçat)
Lurçat erkannte, dass die moderne Tapisserie grundlegend reformiert werden musste. Ausgehend von der mittelalterlichen handwerklichen und künstlerischen Tradition des Webens verringerte er die verwendeten Farbnuancen und verzichtete auf Perspektiven und Modellierungen. Durch Reduzierung der Farben, Formen und stilistischen Mittel und durch Betonung einer flächigen Komposition erreichte er die größtmögliche Wirkung und respektierte den textilen Charakter. Auf diese Weise trug er dem Material Wolle, der Funktion des Teppichs als Wandverkleidung und der Monumentalität des Bildteppichs Rechnung.
Das Grundprinzip der Webtechnik besteht darin, senkrecht zueinander stehende Fäden zu durchkreuzen. Der Webstuhl besteht aus zwei Kettbäumen, zwischen denen die Kettfäden (sie bilden den gewebetragendenen Teil) gespannt werden. Aus den querlaufenden Schussfäden baut sich das farbliche Motiv des Bildteppichs auf. Man unterscheidet zwei Webtechniken:
Diese Technik wurde vor allem in Aubusson verwendet. 1933 entsteht der erste tiefschäftig gewirkte Teppich („L'orage") von Jean Lurçat.
Am fertigen Bildteppich kann jedoch nicht unterschieden werden, in welcher Technik er hergestellt wird.
Zur Vorlage eines Bildteppichs wird ein Karton (Modell oder Patrone) verwendet, der von einem Kartonmaler („le peintre cartonnier" oder Modellzeichner) ausgeführt wird. Dieser Karton wird in Originalgröße hinter die Kettfäden gespannt.
Lurçat erkannte, dass es unmöglich war, die vom Kartonmaler verwendeten Farben optimal in die Tapisserie umzusetzen. Lurçat ging deshalb den umgekehrten Weg. Ausgangspunkt waren nun nicht mehr die Farben auf dem gemalten Karton, sondern die eingefärbten Wollfäden. Er wählte zunächst gelbe, rote, blaue, braune und grüne Wollgarne in mehreren Tönungen aus und gab jedem Farbton eine Nummer.
Lurçat legte auf diese Weise eine Farbtafel mit 44 Farbnuancen fest.
(Die 44 Farbtöne finden Sie in der nachfolgend dargestellten Tabelle)
Auf dem Karton malte Lurçat nur die Umrisse der jeweiligen Motive und setzte zwischen die Linien die entsprechenden Farbnummern.
„Kurios war, dass bei einem komplett durchnummerierten Karton, wenn man ihn bei Fertigstellung betrachtet, fast nichts zu sehen ist außer Linien und Nummern. Damit aber das Auge des Wirkers sich erholte, denn diese Art Karton ermüdet ihn sehr viel mehr als ein bemalter Karton, fügt man von Zeit zu Zeit Schwarz oder Weiß mit Wasserfarbe ein. So ergibt sich eine Ruhezone. Es ist schließlich eine Art Stenographie. Aber die anderen Karton-Meister sagten: „Aber ich muss doch die kolorierten Flächen sehen!" Lurçat sah sie, aber er sah sie in seinem Kopf."
(Jean Agamemnon, Assistent von Lurçat)
Die Erneuerung der Tapisserie durch Lurçat bewirkte die Wiederbelebung dieser Tradition und den wirtschaftlichen Aufschwung der Manufakturen in Aubusson. Gleichzeitig wurden durch die von Lurçat verwendete Technik der nummerierten Kartons die Herstellungskosten, die Herstellungszeiten und die Lagerbestände gesenkt.
Die Tapisserie ist nicht das Werk eines einzelnen, sondern das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit. Lurçat sah sich hier als Dirigent eines großen Orchesters, das eine Symphonie spielt.
„In der großen Gruppe der Gobelinkartonmaler sind wir diejenigen, die grundsätzlich herausgestellt haben, dass es undenkbar ist, den Vorgang der Schöpfung (Schöpfung des Kartons) und den des Webens des Gobelins (Arbeit des Arbeiters) geistig voneinander zu trennen, wenn man dem französischen Wandteppich wieder neues Leben geben will. (Diesen Grundsatz in die Tat umzusetzen, ist gerade das Wichtigste)." (Jean Lurçat)
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